Liebe Mitchristen*innen,
“Seid barmherzig, wie auch unser Vater barmherzig ist” (Lukas 6,36)
Das hat Jesus seinen Zuhörern gesagt und das klingt so richtig gut. Aber es kostet auch so viel Energie!
Einmal abgesehen von der Ungeheuerlichkeit aktueller Themen, fehlt mir zunehmend die Energie. Vielleicht, weil diese Coronasituation mich schlaucht? Vieles, was mich sonst innerlich auftanken lässt, ist schwierig geworden, oder musste sogar verboten werden.
Vielleicht liegt es auch daran, dass das unser menschliches Miteinander insgesamt schwieriger geworden ist? Bei Diskussionen passiert es immer weniger, dass man aufeinander eingeht, wirklich zuhört, bereit ist, seine eigene Position auch mal zu hinterfragen. Von Bewegung keine Spur, so scheint es. Aber lebt unser Miteinander – auch in der Kirche – nicht davon, dass wir aufeinander zugehen?
Jesus hat es vorgelebt.
Er ist vorbehaltlos auf die Menschen zugegangen, besonders auf die, die ausgegrenzt wurden, weil andere Angst vor ihren Krankheiten hatten, weil sie ein Leben führten, das anderen nicht gefiel, weil sie Menschen mit Schwächen und schwierigem Charakter waren.
“Seid barmherzig, WIE AUCH UNSER VATER barmherzig ist” , hat Jesus gesagt.
Kann es sein, dass ich all das “Gute” nicht aus mir selber schöpfen muss? Darf ich es vielleicht auch so verstehen, dass ich weiterreichen soll, was ich zuvor von Gott bekommen habe?
Wie eine Schale. Aus der kommt nie etwas von alleine, sondern erst wenn ein Anderer etwas hineinfüllt, kann sie etwas weitergeben.
Bernhard von Clairvaux hat einmal geraten: “Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale (…) die wartet, bis sie gefüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter. Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen, und habe nicht den Wunsch, freigiebiger zu sein als Gott.”
Das würde heißen: Erst muss ich selber in meinem Leben die Barmherzigkeit Gottes, seine Liebe spüren. Immer wieder. Und irgendwann ist in mir so viel da, dass ich das auch wieder weitergeben kann. An jeden, der es braucht. Ob er es verdient oder nicht. Ich hab´s ja auch von Gott geschenkt bekommen!
Suchen wir diese Erfahrung der Fülle!
Das wünscht im Namen des Seelsorgeteams Ihr/Euer Diakon Manfred Hoffstadt